Brücken-Versagen

Die Leinebrücke mit der seit 2008 installierten Überwachungsanlage.
Die Leinebrücke mit der seit 2008 installierten Dauerüberwachungsanlage der TU Braunschweig mit „permanenter Durchbiegungskontrolle“.

Die Beratungsunterlagen für die Leinebrücken-Sondersitzung des Kreistags-Fachausschusses für Bau, Umwelt und Regionalplanung sind seit heute online im Kreistagsinformationssystem für jeden nachlesbar. Die Vorlagen der Kreisverwaltung für die öffentliche Sitzung am 2. September um 17 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Garlebsen machen eines deutlicher denn je: Das Thema ist mitnichten neu, aber es wurde in den vergangenen Jahren offenbar immer nur ohne endgültige Konsequenz und halbherzig diskutiert. Seit 2004, also seit zehn Jahren (!), ist es Meinung von Gutachtern, dass der Abriss des Bauwerks die sinnvollste Maßnahme einer seit 1979, also seit 35 Jahren (!), dokumentierten Mangelgeschichte ist. Passiert ist offenbar nichts. Und schon vor zehn Jahren wurde vorgeschlagen, „zeitnah“ innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre über eine neue Brücke zu befinden. Auch hier passierte offenkundig nichts in diese Richtung – außer einer Tonnagebegrenzung und der Verengung der Leinebrücke zwischen Garlebsen und Olxheim auf eine Fahrspur.

Es wird nicht mehr ausreichen, dass die Politik auf die böse Kreisverwaltung mit dem Finger zeigt. Ich finde es kaum wahrscheinlich, dass das Thema Leinebrücke in den zehn zurück liegenden Jahren an den entsprechenden politischen Gremien des Kreistagses komplett vorbeirauschen konnte. Warum dann die Politik angesichts dieser Lage keine deutlicheren Konsequenzen gezogen und Rückstellungen vorgenommen hat, um für einen Brückenneubau schonmal „anzusparen“, bleibt bislang offen und dürfte eine spannende Frage sein. Freilich: Die Leinebrücke ist nicht die einzige sanierungsbedürftige Brücke im Landkreis. Da kommt noch einiges auf die politische Diskussion zu! Und das bei leeren Kassen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage interessant, warum der Landkreis seit 2008 nicht auf Variantenuntersuchungen inkl. Kostenberechnungen für eine neue Brücke reagiert hat, wie die Landesbehörde für Straßenbau in ihrer Schließungsankündigung vom 4. Juli 2014 schreibt (Wortlaut: _Anlage 1).

Auch der Handlungsbedarf für die marode Brücke wird aus der Vorlage (Wortlaut: Vorlage Kreis-Bauausschuss 020914) für den Kreistagsausschuss überdeutlich, unmissverständlich sind da meines Erachtens die Formulierungen: Schon 2004 wurde ein „plötzliches Versagen des Brückenüberbaus“ für denkbar gehalten. Und auch heute hält der Landkreis ein „schlagartiges Versagen“ der 1951 errichteten Leinebrücke für möglich: „Angesichts des gravierenden Schadensbildes an den Spannstahllitzen kann der Überbau allein durch sein Eigengewicht (circa 270 Tonnen) schlagartig einstürzen“.

Die Vorlage aus dem Kreishaus hat Befürchtungen einiger manifestiert, dass sich die Stadt Einbeck an den Kosten für eine neue Brücke finanziell beteiligen soll (mit 50 Prozent des vom Landkreis zu tragenden Anteils). Da darf man ja gespannt sein, wie der kommende Woche tagende Verwaltungsausschuss des Einbecker Stadtrates seine von der Landkreisverwaltung erbetene Stellungnahme in diesem Punkt formulieren wird. Immerhin ist das eine Kreisstraße, die über die Leine führt, auch wenn sie die Einbecker Ortschaften Garlebsen/Ippensen und Olxheim verbindet.

Fünf Varianten diskutiert die Kreisverwaltung in ihrer Vorlage, und sie kommt am Ende, kurz gesagt, zu der Empfehlung, entweder für 1,4 Millionen oder für 2,8 Millionen Euro eine Einfeld- bzw. Dreifeldbrücke neu zu bauen. Hinzu kommen die Abrisskosten von knapp 300.000 Euro. Eine Stahlbrücke auf den Widerlagern der alten Brücke verwirft die Kreisverwaltung ebenso wie den Erhalt der heutigen Brücke als reine Fußgängerbrücke. Beides halte die Konstruktion angesichts der nicht mehr vorhandenen Standhaftigkeit nicht mehr aus. Als Übergangslösung schlägt die Verwaltung eine Behelfsbrücke aus Stahl zum Preis von 150.000 Euro plus monatlicher Miete von 1500 Euro vor. Eine Holz-Übergangsbrücke sei noch teurer. Eine Pionier-Ponton-Brücke würde im Hochwasserfalle eine Sperrwirkung ausüben.

Was den Bürgerprotest seit Wochen befeuert, hält der Landkreis für lösbar: Beim Schülertransport werden die Fahrzeiten für die Schüler zwar länger (und für den Landkreis teurer), die zulässigen Maximal-Zeiten aber eingehalten. Das gilt nach Meinung des Landkreises auch für das Rettungswesen: Für Olxheim werde die Anfahrt aus Einbeck nur circa 1,8 Kilometer länger, die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfristzeit von 15 Minuten aber eingehalten. Und die Feuerwehr könnte die Probleme „durch organisatorische Maßnahmen“ lösen: Die Feuerwehren Garlebsen, Ippensen und Olxheim sollen einfach nicht mehr zusammenarbeiten, sondern nur noch die Wehren diesseits und jenseits der Leine für sich.