Ärzteverbund steigt beim Bürgerspital ein

Neue Eigentümer vor dem Einbecker Bürgerspital: Dr. med Sandra Röddiger und Dr. med. Ralf Kurek führen einen bundesweiten Ärzteverbund.

Das Einbecker Bürgerspital hat neue Eigentümer: Mehrheitsgesellschafter ist ein bundesweit tätiger Ärzteverbund, der von den Medizinern Dr. med. Sandra Röddiger und Dr. med. Ralf Kurek geführt wird. Beide haben sich heute Mittag in einer Mitarbeiterversammlung in Einbeck vorgestellt. Unterstützt wird der Verbund von Dr. Reinhard Wichels und seinem Managementteam. „Das Einbecker Bürgerspital steht nicht mehr allein da, sondern es hat sich starke Partner gesucht“, sagte Wichels. Der Insolvenzplan des Einbecker Krankenhauses ist vor wenigen Tagen rechtskräftig geworden, Amtsgericht und Gläubigerversammlung hatten im Juni zugestimmt. Mit dem Ende des Insolvenzverfahrens ist der Weg zu einem Neustart frei geworden.

Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek (CDU) lässt sich heute mit den Worten zitieren: „Das Bürgerspital gehört in unsere Stadt und in diese Region. Ich freue mich und bin sehr dankbar, dass diese schwierige Phase endlich beendet ist. Mit der jetzigen Konstellation hat das Haus sehr viel medizinisches und unternehmerisches Know-how. Das ist ein unschätzbares Potenzial, mit dem eine erfolgreiche Zukunft gestaltet werden kann.“

Im Mai 2018 war bereits ein Kaufvertrag mit der Investorengruppe Dr. Wichels abgeschlossen worden, der einen Trägerwechsel vorsah. Dieser fand jedoch im Krankenhausplanungsausschuss des Landes Niedersachsen keine einstimmige Zustimmung, weshalb es nun keinen so genannten Asset-Deal mit einer neuen GmbH, sondern einen „Share-Deal“ gibt, bei dem die Investoren in die bestehende GmbH eintreten und die Alt-Gesellschafter austreten. Zum Kaufpreis wollte sich Wichels nicht äußern. Zuletzt hatte das Bürgerspital in einer Geschichte des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ Schlagzeilen gemacht.

Dr. Reinhard Wichels.
Frederic Lazar.

Mit dem Ende der Insolvenz ist auch die neue Klinikführung komplett: Gemeinsam mit dem Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Volker Kliem sowie Pflegedirektorin Sabrina Anlauf wird Geschäftsführer Frederic Lazar das Einbecker Krankenhaus leiten. Lazar gehört zum Managementteam von Wichels und kennt das Haus schon länger. Kliem ist auch Ärztlicher Direktor am Klinikum Hann.Münden, wodurch die künftige enge Zusammenarbeit deutlich werde, sagte Wichels. Ein solches Netzwerk sei eine Chance für kleine Häuser.

Bereits abgeschlossen ist ein Haustarifvertrag, in dem die 326 Klinik-Mitarbeiter zunächst weiter einen Beitrag für die Sanierung leisten. Schritt für Schritt solle das Gehaltsgefüge aber wieder an den Flächentarif heran geführt werden, sagte Wichels. Dass dem Bürgerspital die Patienten die Treue gehalten haben, liege erheblich an den Beschäftigten, die trotz der vergangenen turbulenten Monate geblieben seien.

Der neu eingestiegene Praxisverbund (Radio-Onkologie-Netzwerk RON) wurde vor elf Jahren von dem Ehepaar Dr. Sandra Röddiger und Dr. Ralf Kurek in Württemberg gegründet. Mit dem Kauf in Einbeck setzt das Unternehmen, das nach eigenen Angaben inzwischen 25 Ärztinnen und Ärzte an neun Standorten beschäftigt, jetzt erstmals auch in Niedersachsen seine Wachstumsphase fort. Eingebunden seien strategisch und langfristig orientierte Finanzierungspartner, damit sei man von Banken unabhängig, sagten Röddiger und Kurek: „Wir freuen uns, dass wir mit dem Einbecker Bürgerspital die Möglichkeit haben, die medizinische Versorgung in der Einbecker Region sicherzustellen und auszubauen. Medizin sollte möglichst nah am Menschen sein, deshalb ist uns Wohnortnähe wichtig.“ Ebenso entscheidend sei modernste Ausstattung, Fachkompetenz, menschliche Zuwendung und Netzwerkarbeit. Die bisherigen Schwerpunkte und Abteilungen bleiben erhalten, sollen in Teilen weiter ausgebaut und spezialisiert werden.

Das Einbecker Krankenhaus hatte im August 2017 wegen drohender Zahlungsschwierigkeiten Insolvenz angemeldet. 2016 hatte es Streit zwischen den damaligen Gesellschaftern, mehreren Einbecker Familien, gegeben. Dieser auch öffentlich geführte Konflikt führte nicht nur zum Vertrauensverlust bei Patienten, Politik und Kostenträgern, sondern auch zu finanziellen Belastungen durch Abfindungen. Für das Ende 1970 eröffnete Sertürner-Krankenhaus ist es bereits die zweite überstandene Insolvenz. 2012 war die Klinik nach der Übernahme durch die AWO Sachsen-Anhalt in Schieflage geraten und 2013 als Einbecker Bürgerspital neu gestartet.

Das Einbecker Bürgerspital hat neue Eigentümer. Die Insolvenz ist beendet.

Nachtrag 23.07.2019: Kaum einen Tag nach der Bekanntgabe der neuen Eigentümer hat die Einbecker FDP per Pressemitteilung über ihren jüngsten Informationsbesuch im Bürgerspital berichtet, der bereits vor einigen Tagen stattgefunden haben muss. Einen genauen Termin nennen die Freidemokraten nicht, schreiben nur von „nach Abschluss der Widerspruchsfrist des jüngsten Insolvenzverfahrens“. Gesprochen haben die FDPler jedenfalls ausweislich des beigefügten Fotos mit dem bisherigen (Insolvenz-)Geschäftsführer Frank Dalljo und dem neuen Geschäftsführer Frederic Lazar. Die FDP begründet ihren aktuellen Besuch damit, dass Informationen aus erster Hand wichtig seien, um auf Bürgeranfragen zur Situation des Einbecker Krankenhauses angemessen antworten zu können. Die Klinik habe nicht zuletzt wegen der rund 320 Arbeitsplätze eine große Bedeutung für die Stadt. Interessant ist eine Formulierung zur Beteiligung der Stadt Einbeck in der Pressemitteilung: Die „stille Einlage“ der Stadt sei zur Forderungstabelle angemeldet worden, „Gelder daraus standen bereits bei Antragstellung nicht mehr zur Verfügung“, schreiben die Freien Demokraten. FDP-Fraktionschef Dr. Reinhard Binder hat nach den Worten der Presseinfo gefragt, was denn die Berechtigung zur Annahme gäbe, dass der neue Investor bzw. die neue Investorengruppe das Haus wirtschaftlich führen könne; da sei ausdrücklich auf die Erfahrung von Dr. Reinhard Wichels verwiesen worden, der bereits die Krankenhäuser in Hann.Münden und in Bad Münder erfolgreich begleitet habe. Darüber hinaus werde es eine Zusammenarbeit mit diesen Häusern geben, um medizinische Synergieeffekte zu nutzen. Einbeck bleibe aber in jedem Falle selbständig. Auf die Frage nach der Liquidität des Hauses und der Dauer der Gehaltszahlungen hat die FDP nach eigener Darstellung erfahren, dass die Zahlungen sicher seien.